I. Überblick
Der GmbH-Geschäftsführer ist gesetzlicher Vertreter der GmbH und vertritt diese gegenüber den Gesellschaftern und Dritten (z. B. Kunden, Lieferanten oder Finanzamt und Sozialversicherungsträgern) gerichtlich und außergerichtlich. Dabei muss er die Geschäfte der Gesellschaft immer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns ausführen. Dies gilt vor allem in der Unternehmenskrise. Aber auch bei den ersten Anzeichen für eine mögliche Krise, wie Liquiditätsengpässen, muss der Geschäftsführer sofort reagieren.
Verletzt er seine Pflichten, riskiert er, von der Gesellschaft und den Gesellschaftern für entstandene Schäden in Regress genommen zu werden. Aber auch Dritte, wie Sozialversicherungsträger und das Finanzamt, können den Geschäftsführer in die persönliche Haftung nehmen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte zeigt, dass der GmbH-Geschäftsführer seine Pflichten im Zusammenhang mit einer Krise bzw. Insolvenz nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Auch aus dem GmbH-Gesetz und der Insolvenzordnung ergeben sich zahlreiche Pflichten des Geschäftsführers.
Einer Insolvenz geht regelmäßig eine Krise der GmbH voraus. Im Einzelfall kann schon der unerwartete Ausfall einer hohen Forderung das Ende der GmbH bedeuten. Die Krise bezeichnet den Zeitraum vor einem Insolvenzverfahren, wenn z. B. Zahlungsunfähigkeit droht. Typische Anzeichen für eine Krise sind u. a.:
- Es werden vermehrt Lieferantenkredite in Anspruch genommen.
- Kontokorrente sind umfassend „ausgeschöpft“.
- Mahnungen von Gläubigern häufen sich.
- Ein Großkunde fällt wegen eigener Insolvenz weg (Forderungsausfall).
- Kunden wechseln zur Konkurrenz.
- Eintritt neuer Gesellschafter, Änderung des Firmensitzes, Rückforderung von Gesellschafterdarlehen;
- Änderung der Produktionspalette;
- Kurzarbeit, Mitarbeiter kündigen.
Die rechtliche Krise beginnt bei der GmbH mit der formellen Unterkapitalisierung und/oder bei mangelnder Kreditwürdigkeit. In diesen Fällen erhöht sich das zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiko des GmbH-Geschäftsführers enorm.
Jeder GmbH-Geschäftsführer muss folglich wissen, welchen Haftungsrisiken er persönlich ausgesetzt ist, und welche Möglichkeiten es gibt, die Insolvenz und damit die eigene Inanspruchnahme von Gläubigern usw. zu vermeiden.
Die Ausführungen in diesem Mandanten-Merkblatt betreffen sowohl den nicht an der GmbH beteiligten Geschäftsführer (sog. Fremdgeschäftsführer) als auch den Gesellschafter einer GmbH, der Geschäftsführer innerhalb dieser GmbH ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer). Ferner betreffen die nachfolgenden Regeln auch Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), d. h. einer GmbH, die mit weniger als 25.000 € Stammkapital gegründet wird.
II. Vorbeugende Maßnahmen
1. Risikomanagement der GmbH
Bei der Führung der Geschäfte ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden (= objektiver Maßstab). Fehlende Kenntnisse des Geschäftsführers haben dabei keinen Einfluss auf den Pflichtenmaßstab. Geschäftsführer sind – wie es für Vorstände im Aktiengesetz vorgeschrieben ist – verpflichtet, ein Risikomanagement in ihrem Unternehmen zu installieren. Konkret sollen sie ein Controlling aufbauen, mit dessen Hilfe sie sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren können. Das Ziel: Sämtliche Risiken für die GmbH – insbesondere die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung – sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden.
Das Risikomanagement-System umfasst alle betrieblichen Bereiche, von denen eine Gefahr für den Ablauf oder Fortbestand der Gesellschaft ausgeht. Mit erfasst werden dabei auch die Bereiche, deren Risiko bereits über Versicherungen abgedeckt ist (Diebstahl, Produktionsausfall, Krankheit/Schwangerschaft usw.). Der Geschäftsführer trägt die Verantwortung dafür, dass der Versicherungsumfang angemessen ist und den Bestand sowie Fortgang des Unternehmens sichert.
Das Risikomanagement umfasst u. a. die folgenden Maßnahmen:
- Aufstellung eines individuellen Katalogs offener und versteckter Risiken im Unternehmen (dabei müssen alle Bereiche von der Produktion bis zur Verwaltung, Einkauf, Vertrieb „gecheckt“ werden).
- Verantwortlichkeiten müssen festgelegt und deren Überwachung sichergestellt werden.
- Ein internes Berichtswesen ist einzuführen und von allen Beteiligten einzuhalten (beispielsweise muss der Einkauf den Vertrieb über den Lieferverzug des Zulieferers informieren).
- Verbesserungsmöglichkeiten müssen regelmäßig geprüft und bekannt gemacht werden.
Hinweis: Die Einführung eines Risikomanagement-Systems verringert nicht nur die Haftungsrisiken des Geschäftsführers, sondern fördert auch die Finanzierung der GmbH. Im Hinblick auf die Kreditvergabebedingungen der Banken kann der Aufbau eines Risikomanagement-Systems zum dauerhaften Erfolg der GmbH beitragen. Bei einem „Rating” kommt neben der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse auch der Qualität der Geschäftsführung sowie der Organisation der GmbH ein hoher Stellenwert zu.
2. Ordentliche Buchführung und zeitnaher Jahresabschluss
Geschäftsführer müssen intern dafür sorgen, dass sie jederzeit die erforderliche Übersicht über die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der GmbH haben. Eine der wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers ist dabei die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung.
Hinweis: Die herkömmliche „Papierbilanz“ wird frühestens ab 2013 durch eine elektronische Bilanz (sog. E-Bilanz) abgelöst. Unternehmer sind dann verpflichtet, ihre Gewinnermittlung elektronisch beim Finanzamt einzureichen.
Auf der Basis einer zeitnahen Finanzbuchhaltung erhält der Geschäftsführer eine aktuelle aussagekräftige Liste der offenen Posten, die ihm einen umfassenden Überblick über unvollständige oder offenstehende Zahlungen verschafft. Elementare Aufgaben der Debitorenbuchhaltung sind dabei die korrekte und zeitnahe Rechnungsstellung, die Datenhaltung der Kunden, wie z. B. Adressen, Bankverbindung wegen Lastschrift-Einzugsermächtigung, und die Kontrolle und Verwaltung der offenen Forderungen (Überwachung der Fälligkeiten). Sie muss Informationen über Zahlungsverhalten und Änderungen in der Geschäftsführung der Kunden an den eigenen Geschäftsführer weiterleiten, damit dieser risikogerechte Vereinbarungen treffen kann.
Der Jahresabschluss (mit Lagebericht) ist vom Geschäftsführer grundsätzlich bis Ende März des Geschäftsjahres für das vorangegangene Jahr aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften dürfen den Jahresabschluss (ohne Lagebericht) später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf entspricht (spätestens in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres). Fristverletzungen haben im Insolvenzfall strafrechtliche Folgen.
Hinweis: Eine frühzeitigere Erstellung ist aber sinnvoll, weil sie u. a. den Status der Liquidität aufzeigt, welche Forderungen bereits ausgebucht werden mussten und welche wertberichtigt sind. Die Gewinnermittlung im Vergleich zum Vorjahr zeigt, in welchem Bereich es u. U. kurzfristige Umsatzsteigerungsmöglichkeiten gibt. Rückgänge von Bestellungen können bzw. müssen hinterfragt werden.
Das Oberlandesgericht Schleswig hat 2010 entschieden, dass sich ein Geschäftsführer nicht mit schuldbefreiender Wirkung darauf berufen kann, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse für das Geschäftsführeramt besessen hat. Er muss sich bereits bei Übernahme des Geschäftsführeramts zunächst selbst die notwendigen steuerlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen und entsprechende Informationen einholen.
3. Kapitalerhaltung
Häufig wird bei der GmbH-Gründung zunächst nicht der volle Geschäftsanteil eingezahlt. Nach der Satzung ist dies meist erst nach einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss nötig. Der Geschäftsführer muss dann aber ummittelbar nach Beschlussfassung die ausstehenden Stammeinlagen einfordern.
Der Grundsatz des Gläubigerschutzes verlangt, dass das zur Aufrechterhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch zugunsten der GmbH gedeckt ist (z. B. Darlehen an Gesellschafter gegen selbstschuldnerische Bankbürgschaft). Ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsverbot liegt z. B. auch vor, wenn an den Gesellschafter-Geschäftsführer ein überhöhtes Gehalt (verdeckte Gewinnausschüttung) gezahlt wird. Dem Geschäftsführer selbst darf die GmbH unter keinen Umständen einen Kredit gewähren, soweit das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen betroffen ist. Geschäftsführer dürfen an die Gesellschafter zudem keine Zahlungen leisten, wenn und soweit dadurch eine bilanzielle Unterdeckung oder gar eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft wird.
Der Geschäftsführer muss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung spätestens dann einberufen, wenn 50 % des Stammkapitals verbraucht sind (Ausnahme: Einpersonen-GmbH). Dieser Umstand liegt vor, wenn das Vermögen einer GmbH (Aktiva abzüglich Passiva) nur noch die Hälfte des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Stammkapitals deckt. Ob der Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals vorliegt, bestimmt sich nach den für die Jahresbilanz geltenden handelsrechtlichen Regeln. Der Geschäftsführer darf aber nicht bis zur Vorlage einer Bilanz warten, sondern muss bereits tätig werden, wenn Anzeichen einer kritischen Entwicklung erkennbar sind.
Hinweis: Ein Verzicht der Gesellschafter auf eine etwaige Information ändert nichts an der Anzeigepflicht des Geschäftsführers. Eine nicht durch einen Geschäftsführer erlangte Kenntnis der Gesellschafter befreit den Geschäftsführer ebenfalls nicht von seiner Verpflichtung.
Häufig wird die Verletzung der Verlustanzeigepflicht erst in der Insolvenz entdeckt. Der Insolvenzrichter kann die Insolvenzakte der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorlegen. Zumindest fahrlässiges Handeln wird ein Strafrichter dem Geschäftsführer nach Erhebung der Anklage, z. B. aufgrund der GmbH-Bilanzen, nachweisen können. Damit droht im besten Fall eine Geldstrafe und im schlechtesten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
Ist das gesamte Eigenkapital (Stammkapital und Rücklagen) der GmbH durch Verluste aufgebraucht und ergibt sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten, ist dieser Betrag am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite gesondert unter der Bezeichnung „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ auszuweisen. Steht die bilanzielle Überschuldung, d. h. ein nicht durch Eigenkapital gedeckter gedeckter Fehlbetrag fest, muss der Geschäftsführer überprüfen, ob auch eine rechtliche Überschuldung vorliegt (vgl. Kap. III.).
4. Vermögen und Liquidität
Geschäftsführer müssen sich jederzeit über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der GmbH informieren (können). Risiken für die GmbH sollen frühzeitig erkannt und dokumentiert werden. Indikatoren hierfür können die Liquiditäts- und Umsatzentwicklung sein. Zu diesem Zweck muss der Geschäftsführer ein System einrichten, das es ihm ermöglicht, alle für die wirtschaftliche Lage der GmbH erforderlichen Daten zu erhalten und auszuwerten. Das System muss regelmäßig auf seine Effizienz überprüft und ggf. angepasst werden. Die Liquidität der GmbH ergibt sich aus dem Kassenbestand, Kontoguthaben, Kreditlinien, Mitteln und Vermögensgegenständen, die kurzfristig in Liquidität gewandelt werden können.
Folgende Pflichten obliegen dem Geschäftsführer u. a.:
- laufende Überwachung der Kreditgeschäfte;
- Markt- und Konkurrenzbeobachtung;
- Beobachtung des Verhaltens von Kunden und Lieferanten;
- Bonitätsprüfung von neuen Kunden (je höher der Forderungsausfall sein kann, desto wichtiger und umfassender müssen die Informationen sein);
- Berechnung und Überwachung des Bedarfs an liquiden Mitteln und Liquiditätsplanung.
Die richtige Vertragsgestaltung mit Kunden trägt dazu bei, dass das Risiko des Forderungsausfalls bei der GmbH minimiert wird. Dazu gehören das Aushandeln der Zahlungskonditionen (Fälligkeit, Vorkasse, Abschlagszahlungen) und die Vereinbarung von Sicherheiten (z. B. Eigentumsvorbehalt, Zahlungsbürgschaft, Bauhandwerkersicherungshypothek, Bauhandwerkersicherung).
Das Zahlungsverhalten von privaten und gewerblichen Kunden, bedingt durch deren eigene bestehende Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit, ist meist ein wesentlicher Grund für finanzielle Schwierigkeiten einer GmbH. Ein professionelles Forderungsmanagement ist daher für jede GmbH zwingend. Mit der Reduzierung von Forderungsausfällen steigt die eigene Liquidität, die z. B. für Investitionen dringend benötigt wird. Für Banken ist ein funktionierendes Forderungsmanagement immer ein wichtiges Rating-Kriterium.
III. Durchführung einer Insolvenzprüfung
Der Geschäftsführer muss, auch wenn die Gesellschafter dies u. U. nicht wollen, ohne schuldhaftes Zögern (= unverzüglich), spätestens jedoch drei Wochen nach Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Da die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren nur eine quotale Befriedigung erhalten, soll durch die Pflicht zur frühen Antragstellung eine möglichst hohe Quote erreicht werden. Wird der Antrag nicht rechtzeitig gestellt, vermindert sich das Vermögen der GmbH zwangsläufig. Die Gläubiger erhalten dann eine niedrigere Quote.
Der Geschäftsführer muss dabei wissen, dass häufig auch der Gläubiger einen Antrag auf Insolvenz stellt. Dies ist zulässig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann. Ein rechtliches Interesse hat der Gläubiger immer, wenn er keine andere zumutbare Möglichkeit mehr hat, seine Forderung zu erhalten. Die Forderungshöhe spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Mit dem Insolvenzantrag darf allerdings nicht allein der Zweck verfolgt werden, die GmbH unter Druck zu setzen. Zudem kann auch das Finanzamt jederzeit ohne Vorankündigung wegen rückständiger Steuern einen Insolvenzantrag stellen.
Hinweis: Der Geschäftsführer muss bei Insolvenzreife der GmbH selbst dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn die (Mit-)Gesellschafter ihm dies per Beschluss untersagen. Kommt ein Geschäftsführer der gesetzlichen Pflicht (auch fahrlässig) nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig nach, riskiert er eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe. Dies gilt für jeden Geschäftsführer, auch wenn mehrere bestellt sind und auch dann, wenn z. B. ein Gläubiger seinerseits bereits einen Insolvenzantrag gestellt hat.
1. Überschuldung als Insolvenzgrund
Überschuldet ist die GmbH, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde von dieser Regel – zunächst befristet bis zum 31. 12. 2013 – eine Ausnahme geschaffen: Ist die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (positive Fortführungsprognose), muss, auch wenn die Schulden das Vermögen des Unternehmens übersteigen, zunächst kein Insolvenzantrag gestellt werden (= modifizierter zweistufiger Überschuldungsbegriff). Nur bei negativer Überschuldungsbilanz und bei Vorliegen einer negativen Fortführungsprognose (kumulativ) liegt eine rechtliche Überschuldung vor, die zum Insolvenzantrag verpflichtet. Da Banken bei Sanierungsgesprächen meist nicht nur die positive Fortführungsprognose, sondern auch eine Überschuldungsbilanz fordern, empfiehlt es sich, diese zunächst aufzustellen. Die Überschuldungsbilanz verursacht keine wesentlichen Kosten. Zudem ergibt sich u. U. aus ihr schon, dass keine rechnerische Überschuldung vorliegt.
Die Überschuldungsprüfung erfolgt insgesamt in zwei Schritten:
- Überschuldungsbilanz: Der Geschäftsführer muss eine Sonderbilanz (= Überschuldungsbilanz als Stichtagsbilanz) aufstellen (lassen), in der die Vermögenswerte und Schulden zu ihren Veräußerungswerten (Liquidation wird unterstellt) unter Aufdeckung der stillen Reserven angesetzt werden. Übersteigen danach die Schulden die Vermögenswerte („negatives Reinvermögen“), ist das Unternehmen rechnerisch überschuldet und der Geschäftsführer muss eine Fortführungsprognose erstellen lassen.
Hinweis: Ein Gesellschafterdarlehen muss in der Überschuldungsbilanz nicht als Verbindlichkeit angesetzt werden, wenn der Gesellschafter der GmbH gegenüber erklärt, dass er mit seiner Forderung hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt (vgl. Kap. IV. 2).
- Fortführungsprognose: Als Nachweis für eine positive Fortführungsprognose ist ein tragfähiger, schriftlicher Finanz- und Ertragsplan zwingend.
Hinweis: An eine positive Fortführungsprognose stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen, damit die persönliche Haftung des Geschäftsführers vermieden wird. Ohne Expertenrat kann eine Fortführungsprognose nach dem zwingenden Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer nicht erstellt werden. Beispielhaft hierzu ein Fall vor dem Bundesgerichtshof: Ein Geschäftsführer holte hier den Rat eines Wirtschaftsprüfers ein, um zu klären, ob die Insolvenzreife der GmbH besteht. Er informierte ihn über alle für die Beurteilung erheblichen Umstände. Nach eigener Plausibilitätskontrolle folgte er dem Rat und sah davon ab, einen Insolvenzantrag zu stellen. Darin sahen die Richter keine Verletzung der Insolvenzantragspflicht.
Die Fortführungsprognose erfordert u. a. ein Gesamturteil über den möglichen weiteren wirtschaftlichen Unternehmensverlauf auf Basis eines Unternehmenskonzepts, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht. Die Prognosewahrscheinlichkeit muss über 50 % liegen. Ein Insolvenzexperte prüft u. a.
- die Auftragslage der GmbH,
- ob die Finanzkraft und die voraussichtliche Ergebnisentwicklung für eine Fortführung von mindestens zwei Jahren ausreicht, und
- ob es ein schlüssiges Unternehmenskonzept gibt.
Hinweise: Es ist bislang in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt, ob nach den Regeln zur modifizierten Überschulungsprüfung aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes eine positive Fortführungsprognose schon dann vorliegt, wenn die GmbH innerhalb des Prognosezeitraums voraussichtlich ihre fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht bedienen kann – also nicht zahlungsunfähig werden wird – oder ob weitere Anforderungen erfüllt sein müssen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob innerhalb des Prognosezeitraums die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft wiederhergestellt sein muss. Die Fortführungsprognose ist danach nur positiv, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können.
Das Amtsgericht Hamburg hat im Rahmen eines Insolvenzeröffnungsverfahrens Ende 2011 entschieden, dass für eine Fortführungsprognose eine Ertragsfähigkeitsprognose verlangt werden muss. Im Streitfall lag mangels künftig erzielbarer Einnahmenüberschüsse keine Ertragsfähigkeit vor. Damit war auch die Fortführungsprognose negativ.
Hinweis: Der Alleingesellschafter einer GmbH, der zugleich alleiniger Geschäftsführer ist und das Vermögen (inkl. Schulden) der GmbH im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme übernimmt, kann damit wertvolle Zeit für einen beabsichtigten Verkauf oder die Sanierung gewinnen. Denn den Einzelkaufmann trifft – im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer – bei Überschuldung keine Insolvenzantragspflicht; er macht sich also insoweit nicht strafbar. Voraussetzung ist aber, dass der GmbH-Geschäftsführer vor der Verschmelzung eine evtl. bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt hat.
2. Zahlungsunfähigkeit
Die GmbH ist zahlungsunfähig, wenn sie fällige Zahlungspflichten nicht mehr erfüllen kann. Dies ist u. a. der Fall, wenn die GmbH ihre Zahlungen eingestellt hat. Wann Forderungen fällig werden, ergibt sich z. B. aus den Eingangsrechnungen oder steuerrechtlichen Vorschriften.
Beispiel: Die Rechnung des Lieferanten lautet: „Der Rechnungsbetrag über 1.190 € ist zahlbar bis zum 17. 5. 2012“. Die Umsatzsteuer ist jeweils am 10. eines Monats fällig.
Fällige Forderungen bleiben bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nur außer Betracht, falls sie tatsächlich gestundet sind. Hingegen ist eine Forderung stets zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger sie (z. B. durch eine Kündigung des Darlehens) fällig stellt. Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert war, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die GmbH inzwischen ein Stillhalteabkommen mit dem Gläubiger geschlossen hat (vgl. Kap. IV. 3). Die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein deutliches Anzeichen für eine Zahlungseinstellung.
Eine bloße Zahlungsstockung liegt vor, wenn sich die GmbH innerhalb der folgenden drei Wochen die erforderlichen Zahlungsmittel beschaffen kann. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der GmbH weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, kann sie regelmäßig von einer Zahlungsfähigkeit ausgehen. Dies gilt aber nicht, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der GmbH 10 % oder mehr, ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Nur wenn die GmbH – ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – erwarten kann, dass sie die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigen wird und den Gläubigern ein Zuwarten zugemutet werden kann, wird die Zahlungsunfähigkeit noch nicht vorliegen.
Geschäftsführer müssen sich bei einem finanziellen Engpass mindestens wöchentlich über den Liquiditätsstatus ihrer GmbH informieren. Ist absehbar, dass es sich nicht nur um eine Zahlungsstockung handelt, sondern dass die Zahlungsunfähigkeit droht, muss umgehend der Insolvenzantrag gestellt werden.
3. Drohende Zahlungsunfähigkeit
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die GmbH damit rechnen muss, dass sie in nächster Zeit voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Sie wird mittels eines Liquiditätsplans festgestellt. Dazu werden alle Zahlungseingänge und Forderungen erfasst, die künftig im relevanten Zeitraum anfallen.
Hinweise: Die drohende Zahlungsunfähigkeit kann als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren nur von der GmbH selbst, nicht aber von deren Gläubigern geltend gemacht werden. Die GmbH soll somit die Möglichkeit haben, die Insolvenz bereits dann zu beantragen, wenn die Krise erkennbar ist, um z. B. eine Sanierung in der Insolvenz zu ermöglichen.
Seit dem 1. 3. 2012 gelten verbesserte Möglichkeiten für Schuldner: Ein Schuldner hat bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten in einer Art „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann.
IV. Maßnahmen des Geschäftsführers in der Krise
Ist die Hälfte des Stammkapitals verloren, muss der Geschäftsführer der GmbH unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen (vgl. Kap. II. 3). Sollte er sein Amt in der Krise niederlegen wollen, würde dies nichts an seiner persönlichen Haftung ändern.
1. Masseerhalt/Zahlungsverbot
Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist keine Leistungen oder Lieferungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr erbracht werden, die die Masse schmälern und die Insolvenzquote der Gläubiger in einem späteren Insolvenzverfahren verringern würden. Stellt der Geschäftsführer daher fest, dass die Zahlungsunfähigkeit droht, muss er zudem (weitere) Ausgaben auf ein absolutes Minimum beschränken und den Gläubigern eine Ratenzahlung anbieten bzw. diese um Stundung bitten.
Der Bundesgerichtshof hat Anfang 2012 entschieden, dass der Insolvenzverwalter die Prämien zur Direktversicherung des Geschäftsführers, die die GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit geleistet hat, von der Versicherung zur Masse fordern kann. Zulässig sind hingegen die Zahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. hierzu Kap. V. 5. und 6.). Des Weiteren darf der Geschäftsführer auch solche Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft erbringen, die erforderlich sind, um
- einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern und hierdurch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen sowie
- größere Schäden z. B. durch eine sofortige Betriebsstilllegung zu verhindern.
Hinweis: Sein Gehalt muss der Geschäftsführer bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln zugunsten der Gesellschaft reduzieren. Grundlegend hierfür sei das Aktiengesetz, wonach bei einer wesentlichen Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft eine angemessene Reduzierung der Vorstandsbezüge erfolgen kann. Diese Regelung sei im Einzelfall entsprechend für Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar. Der Insolvenzverwalter wird unter Bezugnahme auf dieses Urteil anteilig aus seiner Sicht zu viel gezahltes Geschäftsführergehalt zugunsten der Insolvenzmasse vom Geschäftsführer einfordern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dieses Rückforderungsrecht dagegen Ende 2011 bei einer marktüblichen Vergütung aufgrund eines Anstellungsvertrags verneint.
2. Maßnahmen zur Beseitigung der rechtlichen Überschuldung
Beim Rangrücktritt vereinbaren Gläubiger und Schuldner, dass die Forderung des Gläubigers im Rang hinter allen anderen Forderungen gegen die Gesellschaft (ggf. begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum) zurücktritt. Der Bestand der Forderung bleibt unberührt; der im Rang zurücktretende Gläubiger kann in der Insolvenz jedoch nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger auftreten. Daraus folgt, dass ein Rangrücktritt allein keine Sanierungsmaßnahme ist; denn der Rückzahlungszeitpunkt wird lediglich verschoben. Die tatsächliche Überschuldung wird nicht beseitigt, weil die vom Rangrücktritt erfasste Forderung nach wie vor als Passivposten in der Handels- und Steuerbilanz aufgenommen werden muss. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen (Verbindlichkeiten der GmbH) sind nach dem Gesetz nicht im Überschuldungsstatus zu passivieren, soweit ein wirksamer Rangrücktritt hinter die nachrangigen Insolvenzgläubiger vereinbart wurde.
Hinweis: Wird ein Gesellschafterdarlehen trotz eines Rangrücktritts zurückgezahlt, haftet der Geschäftsführer nicht persönlich. Die Rückzahlung kann über eine Insolvenzanfechtung eingefordert werden, und zwar nur, soweit Rückzahlungen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem erfolgt sind. Wurden dem Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantrag-stellung (oder danach) Sicherheiten gewährt, sind diese ebenfalls anfechtbar. Eigenständigen Haftungsgefahren setzt sich der Geschäftsführer bei anfechtbaren Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist aber nicht aus.
Spricht ein Gläubiger dagegen einen Forderungsverzicht aus, entfällt die Verbindlichkeit in der Bilanz des Unternehmens. Zudem entfällt ein Zinsanspruch des Gläubigers, wodurch eine Liquiditätsentlastung eintritt. Rechtlich ist für den Forderungsverzicht ein Erlassvertrag erforderlich.
Die ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen bei der bestehenden GmbH ist mit der Aufbringung des Stammkapitals bei einer GmbH in Gründung vergleichbar. Bei der Kapitalerhöhung werden dem Vermögen der GmbH von außen neue Eigenmittel durch Erhöhung des Stammkapitals zugeführt und damit der Nennbetrag bestehender Geschäftsanteile erhöht. Gesellschafter müssen alle Vorschriften, die für die Aufbringung des Gründungskapitals gelten, auch bei der Kapitalerhöhung beachten.
Hinweis: Der Beschluss über eine Kapitalerhöhung ändert immer auch den Gesellschaftsvertrag. Die geänderte Satzung muss notariell beurkundet und die Änderung in das Handelsregister eintragen werden.
3. Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit
Die Fälligkeit einer Forderung kann nur durch Stundungsvereinbarung (= zivilrechtlicher Vertrag mit dem Gläubiger) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Bei entsprechender Zusage seitens der Gläubiger wird zudem wichtige Zeit gewonnen, um weitere Maßnahmen zur Liquiditätsgewinnung zu prüfen und zu ergreifen (z. B. Abverkauf von Lagerbeständen, „Sale and lease back“).
Des Weiteren können Forderungen einzeln an die Gläubiger zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten (Aufrechnung) oder zur Sicherheit abgetreten werden. Vorsicht ist bei zweifelhaften Forderungen geboten. Selbstverständlich müssen Eigentumsvorbehalte von Lieferanten und ggf. das Vorliegen einer Globalzession zugunsten der Bank beachtet werden. Zur Verstärkung der Liquidität können die Forderungsbestände u. U. mit Abschlägen verkauft bzw. zwischenfinanziert werden.
In der Krise sind Mahn- und Klageverfahren zu geld- und zeitaufwendig. Hier sollte daher versucht werden, die eigenen Schuldner mit großzügigen Abschlägen zur sofortigen Zahlung zu bewegen.
Die Kreditaufnahme eignet sich nur bei einer positiven Zukunftsprognose der GmbH. Als Kreditgeber kommen neben Kreditinstituten und verwandten Branchen, Arbeitnehmer und Lieferanten in Frage (z. B. durch Gehalts- oder Rechnungsstundung). Gesellschafter, die der GmbH in der Krise Kredite gewähren, müssen davon ausgehen, dass diese bei Scheitern der Sanierung verloren sind.
Beispielsweise in Maschinen gebundenes Eigenkapital kann mithilfe des „Sale and lease back“ schnell aktiviert werden. Die GmbH verkauft dabei ihr gebrauchtes, bewegliches Anlagevermögen und erhält dafür sofort den Kaufpreis ausgezahlt. Direkt im Anschluss werden die Maschinen oder Anlagen zurückgeleast.
Ein Moratorium mit der Bank ist ein Stillhalteabkommen auf Zeit und muss ausdrücklich vereinbart werden. Lässt die Gläubigerbank einfach zu, dass die Kreditlinie überzogen wird, ohne dies zu beanstanden, beseitigt dies die Zahlungsunfähigkeit nicht. Dasselbe gilt, wenn Kredite stillschweigend weiter gewährt werden.
In der Krisensituation kann der Gesellschafter-Geschäftsführer ferner verpflichtet sein, vorübergehend ganz oder teilweise auf sein Gehalt zu verzichten, um die GmbH zu retten. Dies ist der Fall, wenn fällige Rechnungen ansonsten nicht beglichen werden können.
Hinweis: Damit das Finanzamt im „Gehaltsverzicht auf Zeit“ keine verdeckte Gewinnausschüttung sieht, sollte zuvor der Anstellungsvertrag entsprechend geändert werden. Außerdem muss die Gesellschafterversammlung der Gehaltsreduzierung zustimmen.
4. Prüfung der Sanierungsfähigkeit
Die Drei-Wochen-Frist (vgl. Kap. III.) ist für Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Sind sie erfolgreich, entfällt dadurch der Insolvenzgrund und damit die Antragspflicht. Allerdings ist der Insolvenzantrag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist zu stellen, wenn bereits vorher erkennbar ist, dass eine Sanierung innerhalb dieses Zeitrahmens unmöglich ist und die Zahlungsverpflichtungen auch mittelfristig nicht getilgt werden können. Der Geschäftsführer hat zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum; jedoch kommt es auf die Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Der Geschäftsführer sollte sich daher immer fachkundig beraten lassen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg rechtfertigen Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen u. U. eine maßvolle Verlängerung der Drei-Wochen-Frist; letztendlich wird nun der Bundesgerichtshof darüber entscheiden.
V. Persönliche Haftungsrisiken des Geschäftsführers
Der Geschäftsführer hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu erfüllen. Er muss im Rahmen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und der für die Gesellschaft verbindlichen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane zum Vorteil der Gesellschaft handeln und Schaden abwenden. Missachtet der Geschäftsführer diese Anforderungen und entsteht der GmbH dadurch ein Schaden, haftet der Geschäftsführer persönlich; mehrere Geschäftsführer haften solidarisch.
Verzögert sich der Insolvenzantrag über die gesetzliche Frist hinaus, stellt dies eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar. In der Krise handelt der Geschäftsführer zudem bereits dann pflichtwidrig, wenn er nicht in der Lage ist, selbst die Insolvenzreife zutreffend zu beurteilen und es unterlässt, sich fachkundig beraten zu lassen.
Daneben macht der Geschäftsführer sich schadensersatzpflichtig, wenn er der GmbH bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben vorwerfbar einen Schaden zufügt. Eine solche Schadensersatzhaftung kann in der Krise vor allem im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Straftatbeständen wie z. B. Untreue oder Betrug zum Tragen kommen.
Hinweis: Gegen bestimmte Haftungsrisiken kann sich der Geschäftsführer versichern (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, sog. D&O-Versicherung). Versichert werden Vermögensschäden, die auf schuldhaften Managementfehlern beruhen. Da die Versicherungsprämien hoch sind und die Abgrenzung von versicherten zu von der Versicherung ausgeschlossenen Haftungstatbeständen mitunter schwierig ist, sollten Umfang und Nutzen einer solchen Versicherung vor Abschluss genau geprüft werden.
1. Forderungen zugunstender Insolvenzmasse
Der Insolvenzverwalter muss zugunsten aller Gläubiger immer prüfen, ob der Geschäftsführer in der Vergangenheit seine vielfältigen Pflichten erfüllt hat. Ist dies nicht der Fall, ist sein Ziel, Schadensersatz vom Geschäftsführer zu erhalten, um damit Schulden der GmbH begleichen zu können. Forderungen der GmbH gegen den eigenen Geschäftsführer gehören zur Insolvenzmasse.
Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einen Schadensersatzanspruch wegen Überschuldung geltend, genügt es, die rechnerische Überschuldung der GmbH anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose trägt der Geschäftsführer (Kap. III. 1.). Zahlt der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern bzw. rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, haftet er laut Bundesgerichtshof nicht gegenüber der Insolvenzmasse.
Hinweise: Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft kann ausgeschlossen sein, wenn er aufgrund von wirksamen Anordnungen der Gesellschafterversammlung gehandelt hat. An Weisungen ist er grundsätzlich gesetzlich gebunden, und die Befolgung einer gesetzlichen Pflicht kann keine Schadensersatzansprüche begründen. Von der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht darf sich der Geschäftsführer nicht durch Weisungen der Gesellschafter abhalten lassen. Mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung, den Geschäftsführer zu entlasten, billigt sie zudem seine Geschäftsführung. Dann kann die GmbH (in der Insolvenz vertreten durch den Insolvenzverwalter) später keine Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen, soweit sich diese auf Vorfälle gründen, die bei Beschlussfassung bereits bekannt waren.
2. Forderungen der Banken
Banken werden vom Geschäftsführer Zinsen bzw. Tilgungszahlungen für Kredite der GmbH verlangen, wenn dieser als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Darlehensvergabe an die GmbH persönlich gebürgt hat.
3. Ansprüche der Gläubiger der GmbH
Gläubiger, die offene Forderungen gegen die GmbH haben, können Einblick in die Insolvenzakte bei Gericht nehmen und prüfen, ob der Geschäftsführer den Insolvenzantrag zu spät gestellt hat. Dann werden sie diese Forderungen vom Geschäftsführer fordern. Sind die Ansprüche vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, können diese Altgläubiger den Ersatz des Quotenschadens verlangen. Verglichen wird dabei, was der Gläubiger bekommen hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.
Beispiel: Ein Lieferant hat eine Forderung gegen die GmbH über 10.000 €. Die Rechnung hat der Lieferant vor der Zahlungsunfähigkeit der GmbH gestellt. Die Verbindlichkeiten der GmbH bei Eintritt der Krise betragen 100.000 €. Zu diesem Zeitpunkt ist das Vermögen der GmbH noch 30.000 € wert. Bei Abzug der Kosten für das rechtzeitig eingeleitete Insolvenzverfahren bleiben noch 20.000 € zur Verteilung. Die Insolvenzquote beträgt 20 %. Der Lieferant erhält also 2.000 €. Bekommt der Lieferant bei verspäteter Insolvenzantragstellung und Verteilung der Insolvenzmasse dann z. B. nur 1.000 €, kann er die Differenz (1.000 €) vom Geschäftsführer ersetzt verlangen.
Bei Ansprüchen, die nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind, werden diese Neugläubiger so gestellt, als ob sie gar nicht erst mit der GmbH in Geschäftsbeziehung getreten wären.
Beispiel: Ein Lieferant hat eine Forderung gegen die GmbH über 5.000 € aus einer Warenlieferung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Bekommt der Lieferant bei Verteilung der Insolvenzmasse dann später nur 1.000 €, kann er die Differenz in Höhe von 4.000 € vom Geschäftsführer ersetzt verlangen.
4. Ansprüche der Gesellschafter
Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der GmbH und nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern. Ausnahmen hiervon bestehen insbesondere bei Verletzung von Kapitalschutzvorschriften, einer Pflichtverletzung bei Auskünften gegenüber Gesellschaftern und der Rechnungslegung (Buchführungs- und Bilanzierungspflichten).
5. Haftung für Steuerschulden der GmbH
Als gesetzlicher Vertreter muss der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass die fälligen Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Andernfalls haftet er unmittelbar gegenüber dem Finanzamt.
Haben die Arbeitnehmer (dazu gehören auch der Gesellschafter-Geschäftsführer und der angestellte Gesellschafter der GmbH) ihren Nettolohn erhalten, muss die darauf entfallende Lohnsteuer in vollem Umfang abgeführt werden (inkl. Solidaritätszuschlag und etwaiger Kirchensteuer). Reichen die vorhandenen Mittel nicht aus, sind die Nettolöhne zu kürzen und entsprechend geringere Lohnsteuerbeträge vollständig zu zahlen. Aus Sicht der GmbH ist die Lohnsteuer Fremdgeld, das treuhänderisch einbehalten wird. Zahlt die GmbH die Lohnsteuer nicht bei Fälligkeit, handelt der Geschäftsführer nach der strengen Rechtsprechung mindestens grob fahrlässig.
Auch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit den Geschäftsführer nicht von der Haftung. Sind bei Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, muss er diese so lange abführen, bis ihm durch Bestellung eines Insolvenzverwalters bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird. Er haftet auch, wenn die fälligen Steuern innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist nicht gezahlt werden, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eingeräumt wird.
Bei nicht gezahlter Umsatzsteuer haftet der Geschäftsführer nur insoweit, als er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers nur in dem Umfang vor, als er die vorhandenen Mittel nicht zu einer anteiligen Befriedigung der privaten Gläubiger und des Finanzamts (wegen der Umsatzsteuer) verwendet hat. Häufig schätzt das Finanzamt, dass 50 % der angefallenen Umsatzsteuer hätten bezahlt werden können.
6. Ansprüche der Sozialversicherungsträger
Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung geklärt, dass der Geschäftsführer immer haftet, wenn Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung im Stadium der Insolvenzreife einer GmbH nicht abgeführt werden. Demnach hat die Einzugsstelle einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer, wenn er an andere Gläubiger trotz der Insolvenzreife Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren. In einem solchen Fall kann sich der Geschäftsführer folglich nicht auf eine Pflichtenkollision berufen.
Können die Beiträge insgesamt (inkl. Arbeitgeberanteile) nicht in voller Höhe erbracht werden, ist es empfehlenswert, bei Zahlung auf der Überweisung eine Tilgungsbestimmung (zunächst auf den Arbeitnehmeranteil) zu treffen. Allerdings kann es auch strafbar sein, wenn Arbeitgeberanteile vorenthalten werden. Daher muss mit dem Sozialversicherungsträger diesbezüglich eine ausdrückliche Stundungsvereinbarung getroffen werden.
Hinweis: Die Haftung für Sozialversicherungsbeiträge entsteht auch dann, wenn tatsächlich kein Nettolohn ausbezahlt wird.
7. Strafrechtliche Folgen
Strafrechtliche Folgen drohen u. a. in den nachfolgenden Fällen:
- Betrug: Ein Betrug liegt beispielsweise vor, wenn der Geschäftsführer Waren bestellt, obwohl offenkundig ist, dass diese Lieferung nicht bezahlt werden kann. Macht der Geschäftsführer gegenüber der Bank falsche oder unvollständige Angaben über krediterhebliche Umstände, ist dieses Verhalten darüber hinaus als Kreditbetrug strafbar. Dazu gehören insbesondere die Vorlage unrichtiger oder unvollständiger Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Vermögensübersichten oder Betriebsgutachten.
- Gläubigerbegünstigung: In diesem Fall gewährt der Geschäftsführer einem Gläubiger in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der GmbH eine Sicherheit oder Befriedigung, auf die dieser keinen Anspruch hat; der Gläubiger wird dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt.
- Bankrott: Der Geschäftsführer macht sich hier bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit z. B. strafbar, wenn er
- Vermögensbestandteile, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft (beispielsweise Bargeld oder Geldeingänge auf fremde Konten umleitet);
- Waren auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt;
- Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt (z. B. vordatierte Verträge, Abtretungen);
- Handelsbücher gar nicht führt oder aber so führt bzw. verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird;
- Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert;
- entgegen dem Handelsrecht Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.
- Enthält der Geschäftsführer der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vor, stellt dies eine Veruntreuung In diesem Fall haben die Arbeitnehmer ihre Arbeit erbracht und dafür auch den ihnen zustehenden Nettolohn erhalten; jedoch wurden die Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag nicht oder nicht vollständig entrichtet.
Hinweis: Sozialversicherungsbeiträge sind fällig am drittletzten Bankarbeitstag des Beschäftigungsmonats. Zu diesem Zeitpunkt müssen sie auf dem Bankkonto der Einzugsstelle gutgeschrieben sein. Ein Vorenthalten liegt schon bei einer verspäteten Gutschrift vor.
- Steuerhinterziehung: Umsatzsteuererklärungen müssen pünktlich abgegeben werden. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen, selbst wenn die berechnete Umsatzsteuer-Zahllast u. U. nicht oder nicht vollständig bezahlt werden kann. Die schlichte Nichtzahlung geschuldeter Umsatzsteuer ist keine Steuerhinterziehung, wohl aber die Nichtabgabe bzw. die nicht fristgemäße Abgabe der Steuererklärung.
Rechtsstand: 6. 11. 2012
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